Viele Menschen beklagen ihre „Schwächen“ und versuchen diese zu beseitigen. Das gelingt ihnen meist nicht – unter anderem, weil sich hinter vielen so genannten Schwächen in Wahrheit Stärken verbergen. Viel sinnvoller ist es, die starke Seite unserer Schwächen zu nutzen.
„Ich bin zu perfektionistisch.“ „Ich kann mich nicht durchsetzen.“ „Ich bin ungeduldig.“ Solche Aussagen höre ich oft, wenn ich meine Teilnehmer frage, warum diese mit bestimmten Aufgaben und Situationen ihre Schwierigkeiten haben. Sie listen mir dann so detailliert ihre vermeintlichen Schwächen auf, dass ich fast den Eindruck gewinnen könnte: Dieser Mensch hat mehr „Schwächen“ als „Stärken“. Dabei finde ich in einem persönlichen Gespräch mit der jeweiligen Person schnell heraus, dass sie in ihrem bisherigen Leben schon viele Herausforderungen gemeistert hat, sei es beruflich oder privat. Woran liegt es dann, dass wir uns meist intensiver auf unsere Schwächen konzentrieren als auf unsere Stärken?
WIESO WIR UNS INTENSIVER AUF SCHWÄCHEN ALS AUF STÄRKEN KONZENTRIEREN
Vieles, was wir gut machen, sehen wir als selbstverständlich. So erfüllt es zum Beispiel manch gute Führungskraft nicht mit Stolz, seine Mitarbeitenden für neue Dinge begeistern zu können. Das ist schließlich sein Job. Und viele exzellente Zuhörer sind nicht stolz darauf, dass sie gut zuhören können.
UNSERE SCHWÄCHEN SIND MEIST ÜBERTRIEBENE STÄRKEN
Bei genauerem Betrachten der so genannten Schwächen zeigt sich: Es sind oft gar keine Schwächen, sondern eine Stärke, die wir in der Übertreibung leben. So arbeitet zum Beispiel eine Person, die dazu neigt, pedantisch zu sein, stets sehr ordentlich und gewissenhaft. Das heißt: Sie arbeitet strukturiert und prüft regelmäßig, dass ihr keine Fehler passiert sind. Zur Schwäche wird so ein Verhalten erst,
wenn der betreffende Mitarbeiter Aufgaben wahrnimmt, bei der dieses Verhalten den Erfolg eher verhindert als fördert, oder
wenn er zum Beispiel jeden Arbeitsschritt aus Angst, einen Fehler zu machen, so oft kontrolliert, dass die Arbeit liegen bleibt.
So verhält es sich bei fast allen „Schwächen“. Sie sind zumeist übertrieben ausgeprägte Stärken. Aus hoher Eigeninitiative kann zum Beispiel schnell mangelnde Teamfähigkeit werden. Oder Vorsicht kann zu mangelnder Entscheidungsfähigkeit führen. Jedoch nur, wenn die betreffende Person eine Aufgabe wahrnimmt, bei der diese Verhaltensmuster nicht gefragt sind. Ein Beispiel: Wenn ein Flugzeugtechniker die wichtigsten Teile eines Flugzeuges Dutzende Male prüft, egal wie sehr er unter Druck steht, so handelt er korrekt. Schließlich kann eine falsche Entscheidung Hunderte von Menschen das Leben kosten. Prüft hingegen ein Einkäufer Dutzende Male, ob er die neuen bespannten Werbewände für die Messe lieber bei diesem oder jenem Großhändler ordert, so ist dies eher ein Zeichen für mangelnde Entscheidungsfähigkeit. Das heißt: Das gleiche Verhalten kann eine Stärke und eine Schwäche sein – abhängig davon, in welcher Situation wir es einsetzen.
BLICK AUF STÄRKEN ERÖFFNET NEUE PERSPEKTIVEN
Diese Zusammenhänge sind auch vielen meiner Klienten nicht bewusst. Dann bin ich als neutrale Gesprächspartnerin hilfreich, die ihnen wieder die Augen öffnet – nicht nur für ihre offensichtlichen Stärken, sondern auch für jene Stärken, die sich hinter ihren „Schwächen“ verborgen sind. Meine Klienten erkennen dann: Ihre Schwäche ist im Grunde eine Stärke, die sie nur zur falschen Zeit aktivieren. Das bedeutet: Sie können von ihrer Schwäche profitieren, wenn sie deren starke Seite zum richtigen Zeitpunkt einsetzen.
Diese Erkenntnis ist auch deshalb hilfreich, weil viele Menschen, die häufig an immer wieder dieselben Grenzen stoßen, glauben: Ich muss mich radikal verändern. Bei den Schwächen, die nur übertrieben ausgeprägte Stärken sind, ist dies nicht nötig. Dann genügen kleine Verhaltenskorrekturen, um wieder in die Erfolgsspur zu gelangen.
Wenn auch Sie wissen wolle, welche Stärken sich hinter Ihren Schwächen verbergen, kommen Sie gerne auf mich zu.
Viele Grüße,
Matina Schmid
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